In diesem Praxisbeispiel erfahren Sie, wie Sie mit einer freiwilligen Zusatzveranstaltung den Studierenden die Möglichkeit bieten, Fachinhalte erfahrbar zu machen und damit Berufschancen zu verbessern. Die Veranstaltung ermöglicht praxisorientierte Erfahrungen, bspw. in Softwarelösungen (hier MATLAB) und den Erwerb von Methodenkompetenzen. Große Teilnehmerzahlen und positive Umfrageergebnisse bestätigen den Bedarf an dieser Art Projektveranstaltung.
An geeigneten Demonstratoren werden Pendelbewegungen beobachtet und in mathematische Modelle überführt. Der gesamte Prozess: Phänomen → Modell → Algorithmus → Simulation → Interpretation wird abgebildet. So werden Fachinhalte aus Mechanik, Mathematik und Informatik aktiv zusammengeführt.
Die Ausgangslage
Die Lehrveranstaltung Numerische Lösungsverfahren (NLV) wurde im vierten Semester verpflichtend für alle Studierenden des Bachelorstudiengangs Maschinenbau als Teil des Moduls Ingenieurinformatik gehalten. Sie ist der Vermittlung von Methoden zur numerischen Lösung ingenieurwissenschaftlicher Aufgabenstellungen gewidmet. Im Wintersemester waren durchschnittlich 50 Studierende in der Vorlesung und im Sommersemester durchschnittlich 100 Studierende.
Die gesamte Veranstaltung umfasste regulär nur zwei Semesterwochenstunden. Somit war eine praxisorientierte Einführung in MATLAB, und insbesondere in die Programmierung mit MATLAB, leider nicht möglich.
Die Lösung: Ein ergänzendes Fach mit Praxisbezug
Daher wurde eine freiwillige Zusatzveranstaltung zur Einarbeitung interessierter Studierender in MATLAB aufgebaut. Ziel war es, an den Beispielen des einfachen Pendels als Faden- bzw. Stabpendel und der entsprechenden Doppelpendel Bewegungsvorgänge zu beobachten, die zugehörigen Differentialgleichungen zu formulieren und diese mit numerischen Verfahren, die in der Vorlesung behandelt werden, zu lösen. Die Implementierung der Algorithmen wurde in MATLAB durch die teilnehmenden Studierenden unter Anleitung der Dozentin und studentischer Hilfskräfte realisiert, nachdem die Studierenden anhand von ersten Übungen an die Programmierung mit MATLAB herangeführt wurden. Die Ergebnisse dieser Zusatzveranstaltung wurden am Ende des Semesters in der regulären Vorlesung allen Studierenden präsentiert und gegebenenfalls zugänglich gemacht.
Wie ist das Fach aufgebaut?

Zur Motivation des physikalischen Problems werden geeignete Demonstratoren für ein einfaches Pendel, ein Doppelpendel, sowie später für kompliziertere Pendel benötigt. An ihnen sollen die Bewegungsvorgänge beobachtet werden, um sie dann in mathematischen Modellen in Form von Differentialgleichungen zu formulieren. Diese sollen anschließend mittels geeigneter numerischer Verfahren computergestützt gelöst werden (siehe Abb. 1). An den visualisierten Lösungen kann schließlich das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge reflektiert werden und Abweichungen zwischen Realität und Simulation können beobachtet werden. Somit wird die gesamte Prozesskette vom Phänomen zum Modell über den Algorithmus zur Simulation und der Interpretation der Ergebnisse bis zum vertieften Verständnis des Ausgangsproblems abgebildet.
Wie kam das Fach bei den Studierenden an?
Teilnahme
Eine Überraschung war das große Interesse an dem in der Vorlesung vorgestellten freiwilligen MATLAB-Pendel-Projekt. Über die Hälfte der Befragten bekundeten Interesse an einer Kursteilnahme und tatsächlich war die Teilnahmequote dann nochmal um 20% höher. Um allen Interessierten die Teilnahme ermöglichen zu können, wurde der Kurs nicht nur für eine Gruppe, sondern für zwei Gruppen angeboten. An dieser Stelle sei das große Engagement der studentischen Hilfskräfte hervorgehoben.
Eingangsumfrage
Zu Beginn der jeweils ersten Kursstunde wurde gleich nach einer kurzen Einleitung eine Online-Umfrage gestartet. Die Beteiligung an der Umfrage war in beiden Gruppen mit einem Rücklauf von 94 % sehr groß.
Insbesondere wurde nach der Motivation zur Teilnahme an dem freiwilligen Extrakurs (siehe Abb. 2) gefragt. Es war möglich, mehrere Antworten gleichzeitig auszuwählen. Die meisten Nennungen (30 von 49) entfielen auf verbesserte Chancen auf dem Stellenmarkt, gefolgt von der Möglichkeit, MATLAB im späteren Verlauf des Studiums nutzen zu können (24 von 49).

Abschlussumfrage
Am Ende des Kurses wurde wieder in beiden Gruppen um die Teilnahme an einer Online-Umfrage gebeten. Die Beteiligung war mit rund 67 % nicht ganz so hoch wie bei der ersten Umfrage. Insgesamt zeigte sich unter den an der Umfrage Teilnehmenden ein großes (74%) bis sehr großes (18%) Interesse an dem durchgeführten Kurs. Der Umfang des Lernstoffes wurde als verhältnismäßig umfangreich empfunden. Das Engagement der Tutoren und der Dozentin wurde positiv angenommen. Die Teilnehmenden fühlten sich gut (38%) bis sehr gut (62%) unterstützt. Die Einbeziehung von studentischen Hilfskräften, insbesondere bei der Durchführung von Rechnerübungen, hat sich hier als besonders effektiv erwiesen.
Wie geht es weiter?

Die Veranstaltung wurde wegen der hohen Teilnahmemotivation und der positiven Resonanz zunächst weiter angeboten. Im Sommersemester 2020 entstand daraus ein neues Wahlfach, das zum großen Teil auf dem beschriebenen Konzept aufbaut. Außerdem werden Teile des Konzepts in weitere Veranstaltungen des Bachelor- und Masterstudiums integriert, zum Beispiel werden die entwickelten Pendel-Modelle (Beispiel: siehe Abb. 3) zur Veranschaulichung und zur Konkretisierung abstrakter Inhalte eingesetzt. Flankierend zur Pflichtlehrveranstaltung im Master Maschinenbau „Ausgewählte Kapitel der Mathematik und Numerik“ wird die beschriebene freiwillige Zusatzveranstaltung „Einführung in Matlab“ bei Interesse angeboten. Die im Rahmen des Projektes erarbeiteten Übungsunterlagen, Aufgaben und das Tutorial werden darüberhinaus Studierenden, die sich für Projekt- oder Abschlussarbeiten im Matlab einarbeiten müssen, zur Verfügung gestellt.
Der Beitrag wurde veröffentlicht im Juli 2021 und zuletzt aktualisiert im Juli 2022.