In diesem Praxisbeispiel erfahren Sie, wie Sie anhand von eigenen Video-Fallstudien den Lerntransfer von theoretisch-abstrakten Konzepten in die Praxis erfolgreich unterstützen können. Das positive Feedback der Studierenden macht den Erfolg des Konzepts sichtbar. Sie erhalten einen Einblick in den Dreh der Video-Interviews sowie Tipps zur Produktion.
„Die digitale Aufbereitung von Fallstudien ist eine riesen Chance, um unseren Mehrwert als Hochschule für angewandte Wissenschaften zu dokumentieren“
Prof. Dr. Florian Riedmüller
Der Transfer theoretisch-abstrakter Konzepte auf berufspraktische Anwendungsfelder ist oft nicht leicht. Zur Verdeutlichung greifen Lehrende häufig auf Fallstudien von Unternehmen zurück und erklären die Zusammenhänge zu den dahinterstehenden Konzepten. Dabei entsteht zum einen die Problematik, dass der „Fit“ zwischen Theoriekonzept und praktischer Umsetzung nicht immer richtig passt. Zum anderen sind die in der Literatur zitierten Fallbeispiele häufig fern vom angestrebten Branchenbezug einer Veranstaltung und dem regionalen Umfeld der Hochschule.
Wie haben Sie die Video-Fallstudien in Ihrer Veranstaltung eingesetzt?
Im konkreten Beispiel wurden für ein fachwissenschaftliches Wahlpflichtfach zum Thema Sportmarketing an der TH Nürnberg Fallstudien zur Veranschaulichung der Vermarktung von Sportrechten, wie z.B. Zugangsrechte zu Veranstaltungsstätten, Kommunikationsrechte über Sponsoring oder Produktrechte über Merchandising gesucht. Die veröffentlichten Fallstudien in diesem Bereich waren entweder internationale Publikationen, die schwer auf das deutsche Ligasystem adaptiert werden konnten (z.B. NBA oder NFL) oder Erlebnisberichte von Sportmanagern ohne Bezug zu konzeptionell-strukturierenden Entscheidungsrastern. Zur Lösung der fehlenden Anwendungsbeispiele wurden insgesamt 8 Video-Fallstudien mit Sportmarketing-Experten aus dem regionalen Umfeld der TH Nürnberg gedreht und über die Moodle-Plattform semesterübergreifend bereitgestellt. Durch die Strukturierung der Interviews anhand der jeweilig vorgelagerten theoretischen Einheiten konnte der Praxistransfer sichergestellt werden.
Bei der ersten Durchführung der Evaluation der Gesamtveranstaltung im WS 20/21 wurden die Videos als Highlight des insgesamt sehr gut bewerteten Moduls hervorgehoben:
„Die Videos waren sehr gut strukturiert und die Inhalte verständlich dargestellt.“
„Die Interviews gaben direkten Praxisbezug, der sehr spannend war.“
„Interessante Beispiele aus verschiedenen Sportbereichen.“
„Videos aus der Praxis, welche die Vorlesungsinhalte sehr gut widerspiegeln.“
etc.
Tipps zum Dreh von Experteninterviews für Video-Fallstudien
Um die Finanzierung der aufwendigen Video-Fallstudien zu sichern und das Kursprogramm auch weiteren Studierenden in Bayern anbieten zu können, wurde ein Antrag auf Förderung zur Entwicklung eines Online-Lehrangebots (siehe Abbildung 2) bei der Virtuellen Hochschule Bayern (www.vhb.org) gestellt und darin ein explizites Budget zur Finanzierung eines Medientechnikers verankert. Die Antragsstellung ist wegen des langen Formulars sehr aufwendig und erfordert eine sorgfältige Planung, da eine nachträgliche Umwidmung der genehmigten Mittel nur schwer durchführbar ist. So ist z.B. keine Verlängerung von Personenmonaten möglich oder die Beschaffung von Speichermedien ausgeschlossen.
Die Zusammenarbeit mit dem Service Lehre und Lernen Team bei der Planung und Durchführung der Video-Fallstudien verlief hervorragend. Wir konnten mit dem Medientechniker-Budget eine bestehende Stelle aufstocken und hatten daher keinen Aufwand mit der Rekrutierung und Qualifizierung von Personal.
Was Sie vorher wissen sollten…
Die Kontaktaufnahmen mit den Interviewpartnern der großen Sportvereine (FCN, Greuther Fürth, etc.), Eventveranstalter (Datev Challenge, etc.) und Medien (Funkhaus Nürnberg, etc.) klappte reibungslos. Die Vereine und Unternehmen haben ein positives Bild von der TH als regionalem Hochschulpartner. Bezüglich der Terminabstimmung half eine langfristige Planung unter Berücksichtigung der jeweiligen Saisonkalender. Bei einer nachträglichen Bewertung der Zusammensetzung der Interviewpartner fällt auf, dass wir zu wenig auf den Aspekt der Diversität geachtet haben. Alle interviewten Experten sind männlich, obwohl es auch qualifizierte weibliche Protagonistinnen in diesem Feld gegeben hätte.
Zum Dreh eines Experteninterviews benötigt man einen Leitfaden, der sich an den theoretisch dargestellten Lernkonzepten orientiert. Dabei muss die Sprache für die Experten zum Teil vereinfacht werden, ohne den konzeptionellen Anker zu verlieren. Bei der Konzeption der Leitfäden für die Interviews haben wir auf eine langfristige Gültigkeit der Aussagen geachtet und keine Fragen zu saisonalen Aspekten oder Sondersituationen (z.B. Covid) gestellt.
Literaturhinweis: Lüdders, L. (2016): Fragebogen- und Leitfadenkonstruktion: Ein Handbuch für Studium und Berufspraxis
Technik und Software
Die Expertise eines Medientechnikers zu Licht und Ton ist für die Qualität von Außenaufnahmen unerlässlich. In zwei Fällen wurden die Interviews über Videokonferenzen aufgezeichnet.
Interviewpartner und Interviewender wurden in der Regel mit insgesamt drei Kameras aufgenommen. Beide trugen dabei Ansteckmikrofone und wurden bei Bedarf mit mehreren LED-Panels ausgeleuchtet. Unterstützt wurden die Dreharbeiten durch eine weitere Kameraassistenz.
Für jeden Drehtag wurde eine sogenannte Dispo erstellt, in der detailliert der Ablauf des Drehtages, Kontaktdaten und alle weiteren relevanten Informationen dargestellt werden. Für Vorbereitung, Anfahrt und Aufbau waren etwa zweieinhalb Stunden geplant, das Interview selbst dauerte eine Stunde. Außerdem wurden an jedem Drehort ein kurzes Intro und weiteres Videomaterial der Umgebung und Kulisse aufgenommen.
Mit diesem und weiteren von den Interviewpartnern bereitgestellten Bild- und Videomaterialien wurden die ca. 12-20 Minuten langen Interviews aufgelockert. Die Videos wurden mit Adobe Premiere geschnitten und benötigten pro Interview ca. 10 Stunden. Dabei muss auch der Zeitaufwand und die Kommunikation für Korrekturschleifen eingeplant werden. Als Videoauflösung wurde 4k gewählt, um nachträglich Ausschnitte im aufgenommenen Bild zu ermöglichen. Das gesamte Projekt benötigte ca. 440gb und wurde auf einer externen SSD bearbeitet (mit regelmäßiger Sicherung von Backups).
Für den selbständigen Schnitt von Videos kann das Programm Camtasia empfohlen werden, für das die TH Lizenzen besitzt, die über die IT-Beauftragten der Fakultäten beantragt werden können. Mit maximal zwei Kameras, einer Beschränkung auf HD-Aufnahmen und keiner Einbindung von externem Videomaterial kann der Aufwand auch deutlich verringert werden.
Der Beitrag wurde veröffentlicht im Juli 2021 und zuletzt aktualisiert im August 2022.